Täglich gehen große Mengen an essbaren Lebensmitteln verloren. Auf der anderen Seite wächst die Anzahl der Menschen, die von Hunger und Mangelernährung betroffen sind. Schätzungsweise 17 % der gesamten globalen Lebensmittelproduktion werden verschwendet. Weltweit gehen nach Angaben der UN bereits etwa 14 % der produzierten Lebensmittel zwischen der Ernte und dem Verkauf verloren. Dabei verursachen die Lebensmittelabfälle sowohl bei der Produktion als auch bei der Entsorgung Umweltbelastungen und tragen u.a. zum Flächenverbrauch, Überdüngung, Beeinträchtigung der Biodiversität und Klimawandel bei (Schmidt et al., 2019). Die Reduktion der Abfälle kann daher dazu beitragen, die notwendigen Ressourcen zur Lebensmittelproduktion – einschließlich Wasser, Land, Energie, Arbeit und Kapital – sowie die damit verbundenen Emissionen zu senken, denn Lebensmittelabfälle sind für 25 % der lebensmittelbedingten Treibhausgasemissionen in Luxemburg und 33 % weltweit verantwortlich (European Parliament 2017).
Als Lebensmittelverschwendung (Food Waste) wird von der FAO die Reduktion der Menge oder Qualität von Lebensmitteln definiert, die auf Entscheidungen und Maßnahmen von Einzelhändlern, Lebensmitteldienstleistern und Verbrauchern zurückzuführen ist. Lebensmittelverlust (Food Loss) hingegen stellt eine Verringerung der Menge oder Qualität von Lebensmitteln dar, die auf Entscheidungen und Maßnahmen von Lebensmittellieferanten zurückzuführen ist (d. h. vor oder während der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung) und umfasst beispielsweise auch Nachernteverluste in der Landwirtschaft.
Das Thünen-Institut in Deutschland hat die Entstehung von Lebensmittelabfällen entlang der Wertschöpfungskette von der Produktion auf den landwirtschaftlichen Flächen bis hin zum Konsumenten untersucht (Schmidt et al., 2019). In Deutschland werden demnach 55 % der Abfälle in den privaten Haushalten erzeugt, während Verarbeitung mit 17 %, Gastronomie mit 13 % und die Landwirtschaft (Nachernteverluste) mit 11 % und der Handel mit 4 % zu diesen Lebensmittelverlusten beitragen. Der Handel, so das Thünen-Institut, spielt jedoch eine zentrale Rolle im Gesamtaufkommen der Abfälle, da hohe Qualitätsanforderungen an die Produktion sowie Kaufanreize für VerbraucherInnen die Abfälle maßgeblich beeinflussen (Schmidt et al., 2019)
Modellierungen zukunftsfähiger Agrar- und Ernährungssysteme umfassen stets auch die Reduktion der Lebensmittelverluste und -abfälle. Müller et al. (2017) zeigten in einer Modellierung, dass eine weltweite Umstellung auf ökologischen Landbau in Kombination mit weiteren Maßnahmen zu einem umfassenden und nachhaltigen Ernährungssystem beitragen kann. Dies gelingt jedoch nur bei Reduktion des übermäßigen Verbrauchs tierischer Produkte, der Reduktion des Kraftfutters in der Tierproduktion sowie der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Ein solches Ernährungssystem habe positive Auswirkungen auf wichtige Umweltaspekte, indem es den Ausstoß von Treibhausgasen eindämmt, Überdüngung und den Einsatz von Pestiziden reduziert und trotz ökologischer Bewirtschaftung nicht zu einer höheren Landnutzung führt.
ECO-Conseil (2019) gab an, dass organische Abfälle im luxemburgischen Hausmüll 22,6 bis 26,5 Gew.-% ausmachen, wovon bis zu 9,4 % vermeidbar seien. Eine Studie von Hertweck et al. (2021) zu einem CO2-neutralen und resilienten Luxemburg 2050 stellt fest, dass die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in Haushalten, im Gastronomiebereich und entlang der Lieferkette eine vielversprechende Maßnahme darstellt, da Lebensmittelverschwendung 25 % der lebensmittelbedingten Treibhausgasemissionen in Luxemburg ausmacht. Mechanismen könnten sein (1) Wiegen von Resten in Restaurants und Kantinen, kombiniert mit einer Software, um zu analysieren, was Gäste am wenigsten essen, um die Portionen anzupassen, (2) Einführung einer „Lebensmitteltonne“ für Haushalte und Restaurants/Kantinen, die entsprechend gewogen und besteuert würden (Verursacherprinzip), (3) die Förderung von Lebensmittelspenden von Resten aus Geschäften, Restaurants und Haushalten an den sozialen und solidarischen Sektor und (4) die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen.
Nicht nur regional, sondern weltweit sind Maßnahmen zur möglichst effizienten Nutzung der produzierten Lebensmittel notwendig. Die Einführung von Technologien, innovativen Lösungen (einschließlich E-Commerce-Plattformen für das Marketing, versenkbaren mobilen Lebensmittelverarbeitungssystemen), neuen Arbeitsweisen und bewährten Praktiken zur Verwaltung der Lebensmittelqualität und zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung sind der Schlüssel zur Umsetzung dieser transformativen Veränderung, so Kranert et al. (2012).
Einig sind sich wohl alle, dass es weder moralisch noch sozial vertretbar ist, vorhandene Lebensmittel nicht zu nutzen. Lebensmittelknappheit vergrößert die Kluft zwischen Wohlstand und Armut, zwischen Überfluss und Unterernährung sowie zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Abgesehen von diesen sozialen und ethischen Aspekten sind auch die Kosten für Umwelt, Gesellschaft und die einzelnen Akteure zu nennen. Daher haben sich die EU-Länder dem UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung pro Kopf im Einzelhandel und bei Verbrauchern bis 2030 zu halbieren (European Council, 2023). Auf die Probleme von Lebensmittelverlust und -verschwendung macht die UN seit dem Jahr 2020 am 29. September der International Day of Awareness on Food Loss and Waste Reduction aufmerksam.
Literatur
- ECO-Conseil (2019): Aufkommen, Behandlung und Vermeidung von Lebensmittelabfällen im Großherzogtum Luxemburg – Schätzung 2019- [online]. https://environnement.public.lu/content/dam/environnement/documents/offall_a_ressourcen/gaspillage-alimentaire/Aufkommen-Behandlung-Vermeidung-2018-2019.pdf [Accessed 23 May 2023]
- European Council (2023). [online]. https://www.consilium.europa.eu/en/policies/food-losses-waste/ [Accessed on 19 June 2023].
- European Parliament (2017). Food waste: The problem in the EU in numbers. [online] https://www.europarl.europa.eu/news/en/headlines/society/20170505STO73528/food-waste-the-problem-in-the-eu-in-numbers-infographic. [Accessed 10 December 2020].
- Food and Agriculture Organisation of the United Nations. [online]. https://www.fao.org/policy-support/policy-themes/food-loss-food-waste/en/ [Accessed on 19 June 2023].
- Hertweck, F. et al. (eds.) (…) Keßler, S. (2021): Luxembourg in Transition – Spatial Visions for the zero-carbon and resilient future of the Luxembourg functional region. “Luxembourg 2050: Prospects for a regenerative city-landscape”. https://luxembourgintransition.lu/wp-content/uploads/2023/06/lit_report_unilu_20210201.pdf [Accessed on 27 June 2023]
- Kranert, M., Hafner G., Barabosz, J. et al. (2012): Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/Lebensmittelverschwendung/Studie_Lebensmittelabfaelle_Kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [Accessed on 27 June 2023]
- Muller, A., Schader, C., El-Hage Scialabba, N. et al. (2017): Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture. Nat Commun 8, 1290. https://doi.org/10.1038/s41467-017-01410-w
- Schmidt TG, Baumgardt S, Blumenthal A et al. (2019): Wege zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen – Pathways to reduce food waste (REFOWAS) : DOI:10.3220/REP1569247044000
- United Nations. [online] https://www.un.org/en/observances/end-food-waste-day [Accessed on 19 June 2023].