Agroforstwirtschaft ist die gezielte Kombination von Gehölzen und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen auf der gleichen Fläche. Traditionelle Agroforstsysteme sind beispielsweise Streuobstwiesen, Windschutzhecken oder der Waldfeldbau. Auch im Gemüsebau, oder in der Stadt unter „Urban-farming“ bekannt, können unterschiedliche Agroforstsysteme entwickelt werden. Wahlweise können auch Nutztiere integriert werden, die die Flächen unter den Bäumen zum Weiden nutzen können. Auf Grünland oder landwirtschaftlichem Ackerland werden die Gehölze dabei maschinengerecht in Streifen gepflanzt. Der Abstand der Gehölzstreifen entspricht optimalerweise einem Vielfachen der Breite der landwirtschaftlichen Maschinen, um die maschinelle Bewirtschaftung möglichst wenig zu beeinträchtigen. Agroforst als sogenannte Mischkultursysteme vereinen ökonomische mit zahlreichen ökologischen Vorteilen.
Angesichts des stetig steigenden Flächenverbrauchs in Luxemburg und unseren wachsenden Ansprüchen an Wasserschutz, Klimaschutz und Naturschutz ist der Hauptvorteil der Agroforstsysteme ihre Multifunktionalität. Hier gelingt es auf der gleichen Fläche die Ernährungssicherheit zu garantieren und gleichzeitig die Dienstleistungsfunktionen der landwirtschaftlichen Flächen zu stärken. Diese Dienstleistungen sind u.a. der Erosionsschutz durch Wind und Wasser und damit die einhergehende Verbesserung der Luft- und Wasserqualität. Bäume schaffen ein Mikroklima das extreme Temperaturspitzen abpuffert. Dieser kühlende Effekt merkt man beim sommerlichen Spaziergang durch den Wald. Tiefwurzelnde Bäume pumpen Grundwasser aus tieferen Erdschichten nach oben und stellen es der Hauptackerfrucht zur Verfügung. Auch der Schatten eines Apfelbaums stellt eine Dienstleistung dar, die Weidetiere können der brennenden Mittagssonne ausweichen. Auf Grünflächen beißen Weidetiere die grünen Astspitzen ab, wenn in trockenen Sommermonaten das Gras knapp wird.
Den größten ökologischen Nutzen haben einheimische Pflanzenarten im Agroforstsystem, weil sich unsere heimischen Insekten und Vögel im Laufe der Evolution auf sie spezialisiert haben. Der Hauptgrund für den Biodiversitätsverlust unserer Bestäuber, Insekten und Vögel der letzten Jahrzehnte ist der Habitatverlust. Fehlen verschiedenartige Hecken und Sträucher, Hohlbäume und Feuchtwiesen weil abgeholzt oder trockengelegt, fehlen den Tieren die Nahrungsgrundlage und Brutstätten, sie können sich nicht fortpflanzen und ziehen weiter oder sterben aus. Agroforstsysteme bringen genau diese Strukturvielfalt wieder zurück.
Je nach Form des Agroforstsystems sind die Auswahlkriterien der Pflanzenarten unterschiedlich. Wertholz und Obstbäume sind u.a. Eiche, Nussbaum, Kirsch-, Apfel und Birnenbaum. Schnellwachsende Bäume sind u.a. Pappeln, Ahorn und Weiden. Strukturreiche Baumreihen oder Hecken sind z.B. Feldahorn, Birke, Haselnuss, roter Hartriegel oder noch der Weißdorn. Einige Arten können auch mehreren Kategorien zugeordnet werden.
Neben diesen positiven nicht-monetären Effekten bedeutet Agroforst für die Landwirt*Innen auch eine Diversifizierung der Einkommensmöglichkeiten und eine Maximierung der Anbaufläche. Fällt eine Kultur ein Jahr etwas schwächer aus oder fluktuiert der Preis stark, kann ein zweites Standbein helfen den Verlust abzufedern. Diese Systeme zeigen sich anpassungsfähiger als gängige Anbaumethoden, was im Zuge des Klimawandels immer wichtiger wird.
Auf der anderen Seite bedeuten Agroforstsysteme für LandwirtInnen einen Mehraufwand administrativer und arbeitstechnischer Art für Pflege und Erhaltung des komplexeren Anbausystems. Der Abstand zwischen den Baumreihen muss ein Vielfaches der Maschinenbreite haben und sollte bereits bei der Planung höchste Priorität haben. Zudem fallen Investitionskosten direkt an, Einnahmen sind aber vor allem bei Wertholz erst längerfristig zu erwarten.
Seit Beginn diesen Jahres werden Agroforstsysteme auch in der Landwirtschaft in Luxemburg ausdrücklich gefördert, auch wenn sich das Gesetz dazu noch in Ausarbeitung befindet. Danach werden unterschiedliche Agroforstsysteme unterschieden: Wertholzsysteme zur späteren Möbelproduktion und hochstämmige Obstbäume. Zweite Variante sind schnellwachsende Baumarten meist zur Energiegewinnung z.B. Holzhackschnitzel. Das sind z.B. Weiden die in Streifen angepflanzt werden und mit dem Häcksler eingefahren werden. Als drittes Agroforstsystem finden sich strukturreiche (Baum-) Hecken. Einnahmen für den landwirtschaftlichen Betrieb generieren sich aus Holz, Früchte, Nüsse und Beeren. Bei der Anlage von Agroforstsystemen werden die LandwirtInnen mit einmaligen Anpflanzungszahlungen sowie mit Zahlungen für Schutzvorrichtungen gegen Wildverbiss und jährlichen Unterhaltskosten für Pflege und das Ersetzen von Setzlingen unterstützt.
Der NaturparkOUR hat seit 2022 ein Pilotprojekt ins Leben gerufen zur Umsetzung von Agroforstsystemen auf dem Gebiet der COPIL Éisléck. Ziel ist es, ein Agroforst-Netzwerk aufzubauen bestehend aus unterschiedlichen Projektpartnern, den LandwirtInnen, den landwirtschaftlichen Beratern, der ANF (Administration de la nature et des forêts) und Umweltverbänden um eventuelle Barrieren und Hemmnisse abzubauen und technische Lösungen auszuarbeiten. Das Projekt wird finanziell unterstützt vom Umweltministerium.
Das neue Agroforst“gesetz“ für die Landwirtschaft ist noch jung, aber es versteht sich innovativ und gliedert sich in den modernen Naturschutz ein, der Wirtschaft und Naturschutz vereint. Erste Landwirte zeigen bereits Interesse. Die Vorteile überwiegen deutlich. Agroforst stärkt das Image der LandwirtInnen und sie werden ihrer Rolle als Umweltschützer treu.
Autor: Daniel Lucas, Bild: Mareike Jäger